Dr. Philip Grothe: Gute Führung – wie geht das und worauf kommt es an?

Ohne eine grundlegende Änderung in der aktuellen Führungspraxis wird Deutschland – glaubt man einer Studie des Arbeitsministeriums – weit unter seinen Möglichkeiten bleiben. Im Ringen um die Bindung von Talenten braucht es heute andere Rezepte als noch vor 20 Jahren. Das Verständnis von guter Führung unterliegt einem rasanten kulturellen Wandel.

Was also heißt es heute – ganz praktisch – so zu führen, dass ein Unternehmen sich positiv entwickelt?

Meine ersten Wochen als neuer CEO

Als ich 2014 als neuer CEO zu alimex kam, musste ich direkt – ob ich es wollte oder nicht – eine sehr harte Personalentscheidung treffen. Es galt, Fehler der Vergangenheit, die dem Unternehmen wirtschaftlich geschadet hatten, zu korrigieren. Zu den Maßnahmen für einen Turnaround gehörte auch, die Strukturen grundlegend zu verändern. Ich entschied, dass wir uns von einigen erfahrenen Führungskräften und Mitarbeitern trennen und Positionen neu besetzen. Zudem galt es, wichtige neue Rollen wie zum Beispiel die Forschung & Entwicklung sowie das Produkt Management einzuführen.

Rückblickend gehörten diese Entscheidungen sicher mit zu den wichtigsten meiner ersten Monate bei alimex. Wären sie schief gegangen, wäre ich heute vielleicht selbst nicht mehr im Unternehmen. Unerschrocken zu sein ist deshalb für mich eine der wichtigsten Säulen guter Führung.

Loslassen – manchmal gar nicht so einfach

Man muss als Führungskraft loslassen können, dafür braucht es Mut. Für mich bedeutet Führung nicht, dass man alles zentral steuert – im Gegenteil. Führung bedeutet, Verantwortung mutig zu übertragen und dezentrale Verantwortlichkeiten innerhalb bestimmter „Leitplanken“ zu schaffen. Mitarbeiter wachsen an und mit ihren Aufgaben und am Freiraum, den sie bekommen. Sie haben auch das Recht auf Widerspruch, wenn alle in der Sache gleicher Meinung sind, gibt es keinen Fortschritt. Der Meinungsaustausch muss aber immer sachlich bleiben, dann wachsen beiden Seiten aneinander.

Gilt das für alle Mitarbeiter? Nein, natürlich nicht. Mancher ist durch zu viel Freiraum überfordert oder interpretiert diesen Raum für Entfaltung als „Hängematte“ fehl. Tritt so etwas ein, dann ist der Vorgesetzte gefordert, eigene Entscheidungen auch wieder zu korrigieren. Auch das erfordert Mut.

Zuversicht ist ansteckend

Es gibt noch weitere wichtige Eigenschaften, die meiner Ansicht nach ganz wesentlich über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, wenn Du führst: Zuversicht, eine wertschätzende Kommunikation und schnelles Handeln. Nichts ist heute „sicher“ oder „garantiert“. Man muss nicht zu allem Ja und Amen sagen, sollte als Führungskraft aber Optimismus vorleben und neue Ideen, so sie gut sind. Nur negative Menschen haben für jede Lösung das passende Problem – was aber keine Firma weiterbringt.

Für mich heißt gute Führung, die Kompetenz der Mitarbeiter, ihre Motivation und den Teamgeist untereinander, vor allem den der Leistungsträger, zu verbessern. Hier spielt das Vertrauen, das man seinen Mitarbeitern schenkt, eine große Rolle.

Emotionen sind fehl am Platze

Leidenschaft ist für den Job unerlässlich, ein emotionaler Umgang miteinander – im positiven wie negativen – ist kontraproduktiv. Ein guter Vorgesetzter löst Probleme sachgerecht und emotionslos. Persönliche Animositäten dürfen bei wichtigen Entscheidungen erst recht keine Rolle spielen – es zählt allein die Firma. Auch wichtig: Sich selbst zurücknehmen und den anderen den Vortritt lassen. Schon Laotse brachte es auf den Punkt: „Der beste Führer ist der, dessen Existenz gar nicht bemerkt wird […]. Wenn die Arbeit des besten Führers getan ist, sagen die Leute: Das haben wir selbst getan.“

Gute kommunikative Eigenschaften sind dabei für eine Führungskraft unerlässlich. Nur durch konstruktive Gespräche kann man die Mitarbeiter motivieren und die Firma voranbringen. Häufig ist es so, dass die Fremdwahrnehmung eine andere als die Eigenwahrnehmung ist. Und nur durch Kommunikation, vor allem durchs Zuhören, kann man herausfinden, wo die Ursachen für Antriebslosigkeit oder fehlende Motivation liegen. Und schafft man es, dass der Mitarbeiter wieder „Lust“ an der Arbeit hat, so hat sich alles gelohnt.

Komplexität meistern

 Die Schnelllebigkeit und zunehmende Komplexität unserer Zeit sind für fast alle Führungskräfte extrem herausfordernd. Immer den Überblick zu behalten, ist anstrengend. Nichtsdestotrotz muss es gelingen, die richtige „Flughöhe“ zu halten und das permanent: Nicht zu tief in die Details, also den Maschinenraum eintauchen, aber gleichzeitig auch nicht zu weit über den Wolken schweben und dabei die Traktion verlieren. Nur so weiß man, was Sache ist und kann wirklich mitreden.

Auf diese Weise kann auch dem Problem der „Schönfärbereien“ begegnet werden. Denn das Nicht-Überbringen unangenehmer Nachrichten bringt keine Firma langfristig weiter und kann nur durch offenen Dialog vermieden werden.

Abschließend kann ich sagen, dass – wie im Leben sonst auch – im Alltag einer Führungskraft gilt: Mit Dynamik, Optimismus und Zuversicht kommen wir voran!

 

Dr. Philip Grothe kam 2014 als CEO zu alimex, einem Anbieter für hochpräzise Aluminiumlösungen. Das mittelständische Familienunternehmen mit Sitz in Willich bei Düsseldorf wurde 1970 gegründet und hat weltweit 190 Mitarbeiter. Davor war Dr. Grothe 14 Jahre als Berater tätig, davon fünf Jahre als Partner und Gesellschafter von Simon Kucher & Partners.

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